Zukunft Pflege: Unter dieser Überschrift hat die Hannoversche Unterstützungskasse in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen - auch dem Arbeitszentrum Hannover der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland - eine Veranstaltungsreihe begonnen, die bis in den Oktober hinein andauert. Die Vorträge finden immer an einem Dienstag um 20 Uhr im Rudolf-Steiner-Haus, Brehmstr. 10, statt.
Den ersten Vortrag hat am 19. Januar 2010 Birgitt Bahlmann vom Institut für Pflege und Gesellschaft gehalten (Link unten). Sie hat mir - danke! - eine Zusammenfassung zur Verfügung gestellt, die ich hier als Gastbeitrag wiedergebe.
Pflege als Kulturauftrag an alle Menschen
Welchen Beitrag kann Pflege zu individueller und gesellschaftlicher Entwicklung leisten? Was ist Pflege eigentlich? -Die Situation heute - Entwicklungschancen
Was ist Pflege?
Könnten Sie diese Frage spontan beantworten? Es ist ja häufig schwierig, wenn sogenannte „Selbstverständlichkeiten“, wie hier jetzt „Pflege“, hinterfragt werden. Erst dann wird man auf die vielen Facetten aufmerksam. Und das ist Pflege sicher, sehr vielfältig!
Was jeder beobachten kann ist, dass alles, was lebt, Pflege braucht. Wenn etwas nicht gepflegt wird, verkommt es und stirbt. Sogar eine Beziehung braucht Pflege, damit sie lebendig bleibt. Doch nicht nur Lebendiges, auch Sachen, Dinge, so wir sie weiterhin nutzen wollen, wie zum Beispiel Schuhe, brauchen Pflege oder in dem alten Wort: Wartung.
Eine interessante Definition von Pflege, etwas abgewandelt, ist die von: Virginia Henderson, einer amerikanische Pflegewissenschaftlerin (1897-1996): Pflege bedeutet, dass „dem Kranken oder auch gesunden Menschen bei der Verrichtung von Aktivitäten geholfen wird (werden sollte), die seiner Gesundheit oder Wiederherstellung, oder auch einem friedlichen Sterben förderlich sind und die er ohne Beistand selbst ausüben würde, wenn er über die dazu erforderliche Stärke, Willenskraft oder Kenntnis verfügen würde. Die Pflegeperson leistet ihre Hilfe auf eine Weise, dass der Gepflegte seine Selbstständigkeit so rasch wie möglich wieder gewinnt.“
Und weiter heißt es, etwas abgewandelt:
„Die Pflegende ersetzt eine Zeit lang für den Bewusstlosen das Bewusstsein, für den Selbstmordgefährdeten die Freude am Leben, für den Amputierten das Bein, für den Schwerhörigen das Gehör, für das Kleinkind das Fortbewegungsmittel, für diejenigen, die zu schwach oder sprachlos sind, sind sie das Sprachrohr.“
Die Pflege eines Menschen besteht aus unzähligen kleineren und größeren Handlungen, die sich im Laufe der Zeit mit kleinen Varianten, doch tagtäglich – oft über Jahre – wiederholen.
Zur Pflege heute:
Das Schwierige an der Pflege möchte ich heute nicht fokussieren. Das geschieht ohnehin andauernd, dazu braucht es nicht noch einen Vortrag. Ich möchte heute mehr die Chancen der Pflege herausarbeiten, die viel zu selten zur Sprache kommen.
Die professionelle Pflege ist eine von vielen Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Zahlenmäßig ist sie mit über einer Million die größte Gruppe. Das steht in keinem Verhältnis zu ihrer gesellschaftlichen Position/Anerkennung – die sich auch in besserer Bezahlung zeigen würde.
Am Beispiel von zwei Erkrankungen möchte ich Ihnen Pflege in einigen Aspekten darstellen: die Krebserkrankung und die Demenz. Ich gehe dabei davon aus, dass diese erdumspannenden Erkrankungen, worum es sich bei Krebs und Demenz ja handelt, auch eine menschheitliche Bedeutung haben. Hier ist das Potenzial der positiven gesellschaftlichen und individuellen Entwicklung oft sichtbar.
Für beide Erkrankungen, sowohl für die Demenz als auch für die Krebserkrankung gilt, dass von Seiten der Medizin hierbei im Sinne von Heilung keine nachhaltigen Erfolge zu verzeichnen sind – und sie seit vielen Jahren im Grunde einen Status Quo halten.
Bei der Demenz handelt es sich um eine weit verbreitete Krankheit. Und man kann sich fragen, wie kann ein Betroffener in der heutigen Gesellschaft damit zurecht kommen – wenn er nicht gepflegt würde? Ein Großteil unserer zivilisatorischen Errungenschaften ist für die Demenzkranken nicht lebbar. Sie verlangen quasi das Gegenteil, beispielsweise anstatt Beschleunigung Verlangsamung usw.,
Das zweite Beispiel - die Krebserkrankung:
Viele kennen den Verlauf, wenn keine Heilung erreicht werden konnte. Es ist hart, den leiblichen Verfall, die Unversehrtheit, den Verlust der Schönheit zu beobachten, den Rückgang der Kräfte, die Unfähigkeit zu essen, die Schmerzen. Diese Menschen machen die Phasen mit, wie sie Elisabeth Kübler Ross vielfach beobachtet und beschrieben hat. Seelisch zeigen sich: Schmerz, Ratlosigkeit, Verzweiflung, Verhandeln wollen, Hoffnungslosigkeit, Einwilligung.
Dann geht es in der Pflege und Begleitung um menschliche Fähigkeiten wie: Mit Aushalten, Trösten, Dabei bleiben, Ertragen, Mitleiden, Beistand gewähren und schützen.
Diesen Teil möchte ich abschließen mit dem Zitat:
"Krankenpflege ist keine Ferienarbeit. Sie ist eine Kunst, und bedarf, wenn sie zur Kunst werden soll, einer ebenso ernsten Vorbereitung und einer ebenso großen Hingabe wie das Werk eines Malers oder Bildhauers. Denn was bedeutet die Arbeit an toter Leinwand oder kaltem Marmor im Vergleich zu der am lebendigen Körper, dem Tempel für den Geist Gottes. Krankenpflege ist eine der schönsten Künste. Fast hätte ich gesagt die schönste aller Künste."
(Florence Nightingale 1820-1910)
Die Arbeit am Leib ist eben das zutiefst Christliche an der Pflege. Die Menschlichkeit pflegen heißt den Geist pflegen. Ein Vorbild hierfür ist die Fußwaschung der Karwoche, die der Christus den Jüngern zukommen lässt.
Abschließen möchte ich mit dem Gedanken, dass Pflege keine Aufgabe für einen Menschen allein ist. Pflege geschieht in Gemeinschaft. Um einen Pflegebedürftigen wird daher ein Netz aus Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen benötigt.
(C) Text: Birgitt Bahlmann, Institut für Pflege und Gesellschaft (= IPUG), Januar 2010
Bild: Albrecht E. Arnold bei pixelio.de
Der Veranstalter - Hannoversche Unterstützungskasse - ist hier zu finden.
Das Pflege gerade in der heutigen Zeit ein schweres Thema und vor allem der Beitrag der Krankenkassen zu diesem recht problematisch ist, entspricht leider der Realität. Allerdings glaube ich, dass man, wenn man nach dem oben ausgeführten Verständnis des Begriffes "Pflege" geht, sind gerade die gesundheitlichen Einrichtungen mit einzubeziehen muss. Dadurch könnte in der Zukunft viel im Pflegebereich verändert werden. Kürzlich habe ich einen Artikel zu der so genannten "KV Initiative Pflegeheim" (http://ow.ly/2FbDv)verfasst. Laut der Kassenärztlichen Vereinigungen soll dadurch eine fachübergreifende ärztliche Versorgung in Pflegeheimen ermöglicht werden – ich bin sehr gespannt, was das für die Pflege künftig bedeutet und ob dieses Ziel so wirklich zu realisieren ist.
Kommentiert von: Bianca | 16. September 2010 um 15:23 Uhr
Leider ist mir mit dem Link etwas schief gegangen. Ich bitte das zu entschuldigen. Die richtige Adresse zum Nachlesen wäre: http://ow.ly/2FbDv . Ich kann das leider nicht editieren :( Liebe Grüße, Bianca
Kommentiert von: Bianca | 16. September 2010 um 15:26 Uhr