Anthroposophie Hannover: Öffentliche Herbstvorträge 2011 im Rudolf-Steiner-Haus – Lichtkräfte der Gegenwart
Auch in diesem Jahr haben die Organisatoren - Ruth Kindt-Hoffmann, Ilse Schuckmann, Reinhard Kindt – wieder eine anregende Reihe von Veranstaltungen zusammengestellt. Dafür sei ihnen herzlich gedankt. Allein schon, eine Gesamtüberschrift zu finden, die alle Themen zusammenfasst, ist ein besonderes Kunststück. Hier nur ein paar Lichtblitze aus der nahen Vergangenheit – damit jede/r, die oder der das liest, sich vornimmt, in Zukunft selber teilzunehmen!
Den Reigen eröffnete Imkermeister Thomas Radetzki – Vorstandsmitglied des Vereins Mellifera für wesensgemäße Bienenhaltung – unter der Überschrift Heimat im Licht und fruchtbares Wirken – die Geheimnisse des Bienenvolkes (19.10.). Der von großer Kompetenz getragene Vortrag wurde mit sehr guten Lichtbildern gewürzt. Am Anfang gab es ein Rilke-Zitat (aus einem Brief an den polnischen Übersetzer Hulewicz 1903, die „Duineser Elegien“ erläuternd): „Wir sind die Bienen des Unsichtbaren. Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen ...“ Diese Metapher hat einen wirklichkeitsgetreuen biologischen Hintergrund und passt genau zum Thema „Heimat im Licht“: Die Biene berührt praktisch nie die Erde, sie geht mit ihren Sinnen ganz ins Äußere (Rundumsicht der Facettenaugen, räumliches Riechen mit den Fühlern), sie ist ganz offen für den Lichtraum. Auch über ihr Atemsystem, die Tracheen, ist sie stark mit dem Außenraum verbunden. (Im Gegensatz dazu gestalten die Ameisen an der Erde.) Sie bringt Produkte der Sonne, des Lichts – Pollen und Nektar der Blüten – in das Dunkel des Bienenstocks. Dort verstehen die Bienen es, eine fast gleich bleibende Wärme aufrechtzuerhalten (34-36° C), eine der Voraussetzungen für den radikalen Umwandlungsprozess in Honig, der hauptsächlich außerhalb der Tierkörper in den Waben abläuft. (Der „Honigmagen“ ist Vorratsbehälter, kein Verdauungsorgan.) Einst gab es den Ausdruck „der Bien“ - der gesamte Bienenstaat wurde als ein Organismus aufgefasst. Damit wäre der Bien das größte Tier überhaupt, mit einer Ausdehnung von bis zu 30 km, das Ausschwärmen und die Rückkehr zum Stock wirken wie ein Atemvorgang. Rudolf Steiner hat mehrfach über Bienen gesprochen, z.B. in den Arbeitervorträgen. Wenn er sinngemäß sagt, die Erde werde von dem befruchtet, was vom Kosmos kommt, ist das allerdings ein ganz anderer Begriff von „Befruchtung“ als der gemeinsprachliche.
Die Situation der Honigbienen in der Gegenwart ist verheerend; es wird schwer sein, da noch eine Wende hinzubekommen. Die hohen Völkerverluste regional, überregional, global sind keineswegs nur durch die Varroa-Milbe zu erklären (wobei eher die Sekundärinfektionen durch Viren zum Tod führen), die Ursachen sind multifaktoriell – Belastungen u.a. neue Krankheiten durch die globalen Einflüsse, einseitige Ernährung und Hunger aufgrund der industrialisierten Landwirtschaft, Vergiftungen mit meist subletaler (nicht ganz zum Tod führender) Wirkung z.B. durch Insektizide und Saatgutbeize, Verlust heimischer Bienenrassen (Ersatz aus anderen Regionen hat Nachteile), Arzneimitteleinsatz und Betriebsweise des Imkers. Gegensteuerung wird versucht durch Mellifera mit der Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle und verschiedene überregionale Netzwerke wie BeeGood (Patenschaften), Blühende Landschaft oder Stiftungsfonds Bienenpflege.
Ein Interview mit Thomas Radetzki über die Situation der Bienen hat info3 veröffentlicht - sehr lesenswert!
Fortsetzung des Rückblicks in Teil 2 ...
Bild: M. Großmann bei pixelio.de; Text: Dr. Helge Mücke, Hannover
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