Anthroposophie - Herbstvorträge 2011 im Rudolf-Steiner-Haus, Fortsetzung des Rückblicks
Der zweite Abend (26.10.) Das Licht des Endes war dem Leben und Werk der russisch-tatarischen Komponistin Sofia Gubaidulina gewidmet, die wenige Tage vorher ihren 80. Geburtstag hatte feiern können. Leider hatte Michael Kurtz seinen Vortrag aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen (ersatzweise legte er eine schriftliche „Hommage“ vor, aus der ich unten zitiere). Die beiden Musiker – Ludwig Döll, Violincello, und Elsbeth Moser, Bajan (osteuropäische Form des Akkordeons) – konnten aber in kundiger Weise Erläuterungen geben. Die 10 Präludien von 1974 (eher im Charakter von Etüden) waren für Ludwig Döll eine gute Möglichkeit, die verschiedensten Varianten des Cellospiels zu demonstrieren. Zu den 10 Satzbezeichnungen hat er eine deutsche Entsprechung formuliert und eine innere Ordnung herausgeschält – meist ließen sich die Präludien als Gegensatzpaare auffassen, die einzeln stehenden Nr. 5 und 10 waren in sich gegensätzlich. Beispiele: kurz-gebunden / gebunden-kurz (1, 2), gekratzt am Steg – normal – gehaucht auf dem Griffbrett (5), gestrichen-gezupft / gezupft-gestrichen (8, 9). Höchst eindringlich dann „In croce“ (am Kreuz) für Violoncello und Bajan. Michael Kurtz: Bei Sofia Gubaidulina „sind ... Leben und Kunst eine Einheit. So gestaltet sich ihr Komponieren immer aus drei verborgenen Eckpunkten – der Stille, dem Feuer und dem Kreuz. ...“ Im Kreuz würden sich zwei Bereiche künstlerisch duechdringen: die Suche nach der verlorenen Verbindung zum göttlichen Ursprung, Religio, und das Bemühen um formende Gestaltung, Komponieren als organischer Prozess, wie in der Natur in Wachstums- und Verwandlungsprozessen, Natura. „Religio und Natura, oder, wenn man so will, Himmel und Erde." Dieser Abend war für mich einer der beglückendsten kulturellen Lichtpunkte im Rudolf-Steiner-Haus.
Text: Helge Mücke, Hannover; das Bild zeigt die Umschlagseite der Biografie von Michael Kurtz, über die man beim Urachhaus-Verlag mehr erfahren kann. Forts. des Rückblicks in Teil 3.
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