Karl-Heinz Ott: Preisträger der LiteraTour Nord 2006
oder auch:
Im Spannungsfeld zwischen Stille und Trubel
Endlich Stille, wird er sagen, wenn die Feier schließlich vorbei ist, endlich Stille ... und er wird sich wieder an seinen Schreibtisch setzen, ab und zu aus seinem Fenster schauen und an seinem neuen Text weiterschreiben ... Vorsicht: Ist es so oder ganz anders? Es ist die romantische Vorstellung, die wir noch immer von einem Dichter haben, es ist die Stilisierung, die er selber gefördert hat - das mit dem Fenster hat sein Freund Albrecht Puhlmann in seiner Laudatio von ihm zitiert -, es ist auch die Vorstellung, die sich in uns entwickelt, wenn wir seine Figur kennen lernen und so tun, als seien Figur und Autor deckungsgleich.
Fragen nach den autobiografischen Wurzeln seiner fiktiven Personen blockt dieser Schriftsteller eher ab, ja, da wird er fast ein bisschen ärgerlich – bleiben Sie dabei, Karl-Heinz Ott, das sind doch dieselben schlichten Standardfragen, die bei einem Gemälde gestellt werden: ob es denn wirklich so gewesen sei; es wäre sehr schade, wenn Gemälde und Literatur nur die Wirklichkeit eins zu eins abbilden würden, dann würden wir die Kunst, die der Künstler, nicht wirklich brauchen.
Und Sie mögen mir verzeihen, wenn ich meinen kleinen Aufsatz mit der Stille eingeleitet habe; Ihr Humor wird das wohl gerade noch vertragen - übrigens: das ist wirklich IHR Humor, denn dass jemand humorvoll schreibt, der es nicht selber ist, das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen (oder ist das auch nur meine romantische Vorstellung?).
„Endlich Stille“ heißt der Roman, für den Karl-Heinz Ott hauptsächlich den Preis der LiteraTour Nord bekommen hat - und eines kann man in jedem Fall festhalten: die Idee (zu Titel und Geschichte) war ähnlich genial wie die „Entdeckung der Langsamkeit“ vor rund zwanzig Jahren.
Ein Baseler Philosoph (Spinoza-Spezialist) legt auf der Heimfahrt mit dem Zug in Straßburg einen Zwischenhalt ein - und wird es sein Leben lang bereuen. Denn plötzlich steht am Bahnhof ein anderer Mensch neben ihm, den er nicht wieder loswird – es beginnt mit der harmlosen Frage: Suchen Sie auch ein Hotel? und endet, ja kann nur in der Katastrophe enden. Denn dieser Fremde, ein arbeitsloser Musiker (Schubert-Verehrer) drängt ihm alles auf: seine Wortfluten, seinen Lebenslauf und seine Lebensweise, seine Ansprüche, seine Existenz ... Erst ganz am Schluss tritt wieder Stille ein, sie muss erzwungen werden.
Tatsächlich – hier folge ich dem Werbetext – erzählt der Roman „davon, wie sich der Alltag eines Menschen in kürzester Zeit fatal verändern kann. Ohne dass die Beteiligten spüren, auf welches Verhängnis sie sich zubewegen, nehmen die Dinge ihren Lauf. Ein wunderbar abgründiger Roman, dessen Komik aus dem Schrecken stammt und dessen Musikalität die Ereignisse bis zuletzt in der Schwebe hält.“
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