Literaturfest in Niedersachsen - Thema "Aufbruch"
Anfang September in Niedersachsen, das bedeutet:
wieder findet ein Literaturfest Niedersachsen der VGH-Stiftung statt. Gleich nach dem Zinnober-Volksfest in Hannover der Auftakt. Literarische Veranstaltungen in ganz Niedersachsen, die Eröffnung in Hannover.
"Aufbruch" heißt das Generalthema in diesem Jahr - doppelsinnig wie dieses Wort: das Aufbrechen alter Krusten, der Aufbruch zu neuen Ufern. "Texte und Töne" dienen der Darstellung. Die Grenzen der Gattungen werden aufgebrochen.
So war das auch bei der Auftaktveranstaltung am gestrigen 11. September - eine Collage, die Michael Lentz zusammengestellt hat, den man auch nicht einfach als Schriftsteller bezeichnen kann.
"In welchem Käfig du dich auch befindest, verlasse ihn" - so die Überschrift des Eröffnungsabends, der mich in seiner Vielseitigkeit schlicht begeistert hat: Dank an Susanne Reuter, die künstlerische Leiterin des Literaturfestes. Der Aufforderung - ein Zitat von John Cage - sind alle Mitwirkenden nachgekommen, sie sprengten die Grenzen der Erwartung an einen unterhaltsamen Abend, die Aufzählung deutet das schon an:
Michael Lentz las die Texte (keinen eigenen) auf pointiert-besondere Weise. Wolfgang Heisig spielte die Phonola, ein Vorsetzer-Kunstspielklavier. Valeri Scherstjanoi bot Lautpoesie (ohne Wortsprache). Uli Winters zeigte ein extra geschriebenes Puppenspiel, eine Uraufführung. Dalibor Markovic machte den Beatboxer (und kam mit seinen schlagzeugähnlichen Geräuschen ebenfalls ohne Wortsprache aus).
Die Auswahl der Texte, die Michael Lentz las, war sehr geschickt, hatte auf subtile Weise mit ihm selber und dem Lese-Ort Hannover, dem Geburtsort Kurt Schwitters', zu tun: Den Rahmen bildeten "Jetzt will ich erzählen, wie ich geboren wurde" und "Ein grausamer Tod" von Daniil Charms - auch so ein Künstler, den man dem Dadaismus zuordnen kann. Weitere Autoren: Jean Paul, Franz Kafka, Bruce Chatwin, Peter Rühmkorf, Helga M. Nowak, Diane Carey (aus "Star Trek") und Jürgen von der Wense. Der hat gesagt (noch ein Zitat): "Wandern ist der Gegensatz von Spazierengehen, es ist Landnahme und Eroberung".
Am meisten beeindruckt hat mich das Puppenspiel von Uli Winters "Die Auflösung" mit der präzisen Wiedergabe der Rede eines Vertreters oder Strukturvertriebs-Mitglieds oder was immer kurz vor dem Aufbruch zu einer ganz wichtigen Präsentation - zu der es aber nie kommen wird, denn die arme Puppe ist vorher zusammengeschmolzen.
Ob allerdings das leicht zerstörbare Papierschiffchen, das die ganze Zeit (projiziert) im Hintergrund dümpelte (s. oben), sich für den Aufbruch eignet, muss offen bleiben.
Warum ich Ihnen so ausführlich von dem vergangenen Abend berichte?
Um Sie anzuregen, einen der weiteren Abende bis zum 28. September 2008 im ganzen Land verteilt zu besuchen. Ein paar wenige Beispiele: Ingo Schulze am 12.9. in Estorf, Karen Duve am 24.9. in Lingen, Michael Lentz am 26.9. in Bremerhaven, Feridun Zaimoglu am 28.9. in Alfeld.
Das ganze Programm können Sie hier anschauen.
Brechen Sie auf! Gute Fahrt und viel Vergnügen ...
© Dr. Helge Mücke, Hannover. Das Bild wurde der genannten Page des Literaturfestes entnommen.
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