Höchst beeindruckt war ich von der großartigen Aufführung in der Herrenhäuser Kirche Hannover (über die ich hier schon vorweg ein paar Sätze geschrieben hatte). Wie schön, dass ich mir das in der Zusatzvorstellung noch ansehen konnte!
Musik und Schauspiel stimmten wunderbar zusammen - in einer Montagetechnik, bei der die Nähte kaum wahrnehmbar waren. Und vor allem, was ich ganz besonders gelungen fand: die Verschmelzung der alten Musik (Johannes Brahms, 1833-1897) und neuer Musik (Frank Martin, 1890-1974), die Übergänge waren geschickt geschaffen, man hatte den Eindruck eines Zeiten überspannenden Gesamtkunstwerks. Die Instrumente waren sparsam eingesetzt: nur Klavier (zwei) und etwas Schlagzeug, nämlich Pauken; gut so, um so stärker entfalten sich auf dem sparsamen Hintergrund die großen Chöre (Chor der Weisen, Chor der noch nicht Erlösten - Brahms) und die Rezitative (Martin). Das Requiem entstand zwischen 1854 und 1897 und verwendete Bibeltexte (u.a. aus der Offenbarung des Johannes), die sechs Monologe aus "Jedermann" mit Texten Hugo von Hofmannsthals schuf Frank Martin 1943/44.
Der ganze Raum der Kirche war einbezogen: Der Engel beispielsweise sprach von der hinteren Empore vor dem Orgelprospekt aus; Luzifer lief schon mal über die Rampe zwischen die Zuschauerreihen; der Chor der Erlösten sang auch aus dem Dunkel unter der Seitenempore hervor. Der Altarraum war durch einen dünnen blauen Vorraum abgeteilt - bei manchen Szenen war das große Kruzifix so beleuchtet, dass es hindurchschimmerte.
Noch einmal: Ich war sehr beeindruckt, auch wenn das eine oder andere (auch der Schluss) mir zu platt-drastisch war: Dennoch kam der tiefere Sinn zum Tragen. Um diesen deutlich zu machen, gebe ich hier abschließend noch die Inhaltsangabe (Autoren Marie-Luise und Wolfgang Bratschke, Andreas Klein) wieder:
Inhalt
Der Mensch ist in Sünde verstrickt.
Die WEISEN mahnen zur Umkehr. Die NOCH NICHT ERLÖSTEN steigen aus ihren Gräbern.
Der ERZENGEL verkündet: „Gott will in rechter Eil Gerichtstag halten, und JEDERMANN richten nach seinem Teil."
LUZIFER wittert neue Beute und will JEDERMANN in die Hölle stürzen. JEDERMANN versucht sich zu entziehen. Er verkennt den Ernst der Lage. Die NOCH NICHT ERLÖSTEN, mit denen JEDERMANN im Leben zu tun hatte, unter anderem FREUND, GELIEBTE und MUTTER, stehen ihm bei.
Die WEISEN mahnen ihn zur Einsicht. Doch selbst in seiner Todesstunde glaubt JEDERMANN sein Geld könne ihn retten. LUZIFER gefällt das.
Er konfrontiert den Sünder mit dem betrogenen FREUND, der verstoßenen GELIEBTEN und der vergessenen MUTTER. Sie sollen ihn verdammen.
Der Freund hasst JEDERMANN immer noch, aber die GELIEBTE verzeiht. Ihre Größe öffnet ihm die Augen: „Herr lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss".
Die Erkenntnis, nie geliebt zu haben, selbst die MUTTER nicht, stürzt JEDERMANN in Verzweiflung: „lieg' hin und stirb, hier ist dein Tag". LUZIFER glaubt sein Ziel erreicht.
Aber das Versprechen des ERZENGELS - „Ich will euch trösten, wie euch eure Mutter tröstet" - gibt ihm Hoffnung.
LUZIFER fürchtet den sich bekehrenden JEDERMANN zu verlieren. Mit Gewalt versucht er ihn in die Hölle zu zwingen.
Im Kampf Gut gegen Böse scheint die Macht des LUZIFER durch das Wort Gottes gebrochen werden zu können. Aber JEDERMANN muss sterben.
Die WEISEN, die NOCH NICHT ERLÖSTEN, MUTTER, FREUND und GELIEBTE sind da. Träumt er oder wacht er? Noch einmal ängstigt den Sterbenden LUZIFERS Schatten. Aber das himmlische Licht vertreibt die Finsternis.
JEDERMANN ist tot. „Dein Glaube allein wird dir Beistand und Hoffnung sein" verspricht der ERZENGEL. „Selig sind die Toten, die in dem Herren sterben" lautet die verheißungsfrohe Botschaft.
© Text, außer dem Zitat: Dr. Helge Mücke, Hannover; Bild (Luzifer glaubt schon, Jedermann für sich gewonnen zu haben) von der Internetseite http://www.kirchenmusik-in-herrenhausen.de/ - Fotograf nicht ausdrücklich genannt.
Kommentare