Da hat sich die Herrenhäuser Kirche etwas vorgenommen, die ersten Aufführungen haben bereits stattgefunden, erfolgreich, wie man hört: das Requiem von Johannes Brahms szenisch aufzuführen wie eine biblische Oper.
Fragt sich natürlich gleich: wo sollen die Texte und die Dramaturgie herkommen?
Sechs Monologe aus „Jedermann“ von Frank Martin und dasTheaterstück
„Der Tor und der Tod“ von Hugo von Hofmannsthal geben die ergänzende Grundlage. Martin Ehlbeck,
der Kirchenkreiskantor der Herrenhäuser Kirche, hat sich dieses Wagnis vorgenommen - sein Mut ist zu loben! -, er macht die musikalische und die künstlerische Gesamtleitung. Aber in diesem Fall ist auch ein Regisseur nötig: Christoph G. Amrhein aus Bonn hat diese Aufgabe übernommen. Bekannte und erfahrene Künstler der
Musik- und Theaterszene, die in der hannoverschen Region ansässig sind, arbeiten mit der
Kantorei Herrenhausen zusammen, so heißt es, "um eine innovative Interpretation des
bedeutenden Oratoriums der Spätromantik vorzustellen".
"Erst in jüngster Zeit wurden die Chancen, die die szenische Realisation großer oratorischer Werke in Kirchen bietet, erkannt und vereinzelt schon genutzt. Die Herrenhäuser Kirche als Operbühne bietet interessante Blickwinkel" - so die Netzseite. Für die Vorstellungen wird in der Herrenhäuser Kirche im Altarraum eine Bühne errichtet. Etwa einhundert Mitwirkende werden hier singen und spielen.
Dass durch das Aufeinandertreffen des schweizerischen Komponisten aus dem 20. Jahrhundert mit dem Hamburger Spätromantiker ein besonderes Spannungsverhältnis entsteht, betrachten wir als zusätzlichen Gewinn.
Die Initialzündung für ein geistliches Gesamtkonzept scheint so jedenfalls gegeben. Da jedoch Frank Martin die Monologe des „Jedermann“ aus ihrem spielerischen Zusammenhang herausgelöst und sie als Liedzyklus eben auch collagenartig zusammengefasst hat, fehlt somit auch eine erkennbare, zusammenhängende Handlung.
Die Idee, das gesamte Mysterienspiel mit dem Requiem zu verquicken, ließen wir aus vielerlei Gründen fallen. Wie aber kann man dem Anspruch einer Kirchenoper mit nachvollziehbaren Handlungen glaubwürdiger Figuren mit verstehbaren Gefühlen und Entwicklungen, gerecht werden? Die Collagentechnik, von Johannes Brahms und Frank Martin in ihren beiden Werken angewandt, könnte ein Schlüssel sein.
Ein geniales kleines Frühwerk Hofmannsthals, „Tor und Tod“, befasst sich auch schon mit dem „Sterben des reichen Mannes“. Es ist eine Art Fingerübung, die im Dunstkreis des von Freud geprägten „Fin de siecle“ entstand. Ein bürgerliches Endzeitstück, in dem Jedermann noch Tor heißt. Erst später hat der Dichter im bekannten Mysterienspiel den Stoff mittelalterlich verbrämt.
Von einem Opernplot im üblichen Sinn kann man wohl kaum sprechen, vielleicht eher von einem spirituellen Traumspiel, oder einem musikalischen Endzeitstück und somit dem spirituellen Charakter des Gesamtkonzepts im Sinne einer Seelenhandlung auch angemessen. Engel und Teufel aus dem Inventar des Mysterienspiels, wie sie auch den „Jedermann“ bevölkern, treiben jedenfalls den Spannungsbogen voran und setzen theatralische Glanzlichter, wie es sich für eine biblische Oper in der Kirche gehört." Drei Personen, die dem Toren besonders nahe standen, treten in dem kleinen Versdrama als Verstorbene auf und machen ihm in seiner Todesstunde bewusst, wie sehr er sich in seinem Leben versündigt hat.
Mit der Konfrontation dieser drei „Ankläger“ bekommt unser Jedermann-Tor einen biographischen Hintergrund, der sich in Spielhandlung umdeuten lässt."
Weitere Informationen: http://www.kirchenmusik-in-herrenhausen.de/
© Text bis auf die Zitate Helge Mücke, Hannover; die Bilder hat der Veranstalter für Pressezwecke zur Verfügung gestellt, sie sind nicht frei verfügbar.
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