Nachtblüten. Bilder der Natur aus dem Sprengel Museum Hannover, noch bis 8.November 2009
Und noch eine großartige Ausstellung in Hannover geht in einer Woche zu Ende (ebenfalls Weltkunst, aber etwas älter). Darin sind Bilder und Skulpturen zusammengestellt, alle aus dem Bestand des Sprengel-Museums mit seinen wunderbaren Schätzen! Der Titel "Nachtblüten" spielt auf den Titel "Nachtblüte" des Bildes von Paul Klee an, siehe oben. Ich gebe im Folgenden Sätze aus dem Pressetext des Museums wieder und zeige ein paar Bildbeispiele:
Als Beitrag zur Gartenregion Hannover 2009 präsentiert das Sprengel Museum Hannover 84 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien aus eigenen Beständen. Gezeigt werden Werke von u. a. Max Ernst, Per Kirkeby, Paul Klee, René Magritte, Emil Nolde, Pablo Picasso, Gerhard Richter, Heinrich Riebesehl, Niki de Saint Phalle und Wols.
Die Ausstellung führt von der figürlichen über die surreal-fantastische zur abstrakten Kunst verschiedene Naturkonzepte und -ordnungen zusammen, die sich in spezifischer Weise seit dem 20. Jahrhundert entwickelt haben. Unter verschiedenen Aspekten wird dargestellt, wie Künstler Landschaften, Pflanzen und Tiere für ihre Interpretation der Welt instrumentalisieren und wie sie neue Naturvorstellungen mit bildnerischen Mitteln realisieren. Mit der Krise der traditionellen Landschaftsmalerei am Ende des 19. Jahrhunderts, die durch den Impressionismus ausgelöst wurde, entstand im 20. Jahrhundert eine neuartige Auffassung von Natur und ihrer Darstellung. Die sich aus dem Gegenständlichen entwickelnde Abstraktion in den bildnerischen Darstellungsmitteln und die neuen, mit den Sinnen nicht mehr fassbaren Erkenntnisse der Naturwissenschaften wie etwa die Quantenphysik führten zugleich zu einer neuen und reflektierten Sicht- und Denkweise: Natur und Landschaft sind eine Konstruktion.
Die Ausstellung präsentiert, jedoch nicht in chronologischer Weise, diese Entwicklungsgeschichte. Die Ausstellung verfolgt zudem in fünf Kapiteln verschiedene Konstruktionen von Natur in der Kunst. Ein Raum widmet sich der idyllischen Darstellung einer friedfertigen und harmonischen Umgebung, in der der Mensch genießend eins ist mit der Natur und ihren Lebewesen, wie etwa in Oskar Kokoschkas „Pan; Trudl mit Ziege“ (1931), in Pablo Picassos „Le déjeuner sur l'herbe“ (1961) oder in Wolfgang Tillmans „Teufelssee“ (2004).
Ein weiterer Raum beschäftigt sich mit den Auswirkungen der zunehmenden Industrialisierung und Verstädterung. Grethe Jürgens malt ihr „Blumenmädchen“ (1931), das in einem Drahtkorb nur wenige Blumen trägt, vor dem Hintergrund einer Treibhausgärtnerei. Die zivilisierte und gezähmte Natur im Schrebergarten, Zoo oder Stillleben oder die misshandelten Leiber und Tiere wie in Käthe Kollwitz’ „Vergewaltigt“ (1907) oder Werner Heldts „Fensterausblick mit totem Vogel“ (1945) haben oftmals symbolischen Charakter oder kommentieren die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse ihrer Zeit.
Die folgenden zwei Räume kontrastieren die freundliche, helle Seite der surrealistischen und fantastischen Entwicklungen mit ihrer aggressiven, unheimlichen Nachtseite. Entspannt ruht in Raum 3 eine junge Frau unter den Schutz der „Weißen Pflanze“ (um 1964) von Niki de Saint Phalle. Ein „Katzengott“ (1970) spaziert durch eine fröhliche Urwaldlandschaft von Ursula, und Hans Arps „Vogelwolke“ (1943) schwebt hoch hinaus.
Demgegenüber spendet die „Nacht-Blüte“ (1938) - erstes Bild oben - von Paul Klee vielleicht Trost in der Düsternis, die dunkle Blume ist vor allem jedoch ein Vorbote des Todes, denn ihr Stiel ist zerbrochen. Auch Klees „Blumen in Stein“ (1939) zeugen bereits von seiner schweren Krankheit, die in den Spätwerken präsent wird. In René Magrittes „Gespensterschloss“ (1950) sucht man vergeblich nach einem Gebäude, vielleicht ist es bereits vom versteinerten Blitz zerstört. Ebenso vermitteln seine unheimlichen „Gestalten der Nacht“ (1928), gebildet aus dunklen Wolken, eine düstere Stimmung.
Der letzte Raum spürt den Naturempfindungen in den abstrahierenden und abstrakten Tendenzen der Kunst nach. Insbesondere im deutschen Informel der Nachkriegszeit und der École de Paris findet sich die Naturnähe der abstrakten Kompositionen, sei es vermittelt durch die Titel wie etwa bei der „Saharalandschaft“ (1952) von Jean Dubuffet, den als Bildmaterial verwendeten Naturelementen wie Sand bei Karl Fred Dahmen oder den soeben noch erkennbaren Landschaften eines Nicolas de Staël von 1952. Ironisch gebrochen wird diese Natursicht durch Dieter Roth in seiner „Großen Landschaft“ (1969), in der er Käse auf Dachpappe in einer Plastiktasche verschimmeln lässt.
(Anmerkung: Dies ist eines der faszinierendsten Bilder - was diese Wiedergabe nur erahnen lässt.)
Kuratorin: Dr. Karin Orchard
Ausstellung und Katalog werden gefördert mit Mitteln der Region Hannover im Rahmen des Projekts Gartenregion Hannover. Zur Ausstellung erschien ein reich bebilderter Katalog von 128 Seiten im Snoeck Verlag zum Preis von 18,00 €. Eintritt 7 Euro, ermäßigt 4 Euro, freitags frei; Öffnungszeiten: dienstags 10 - 20 Uhr, mittwochs bis sonntags 10 - 18 Uhr.
Die Bilder von oben nach unten:
Paul Klee: Nacht-Blüte, 1938, 118 (H 18), Kleisterfarbe auf Grundierung auf Leinwand auf Karton, 34,3 x 28,7 cm, Sprengel Museum Hannover, © VG Bild-Kunst Bonn, 2009
Oskar Kokoschka: Pan; Trudl mit Ziege, 1931, Öl auf Leinwand, 87 x 130 cm, Sprengel Museum Hannover, © VG Bild-Kunst Bonn, 2009
Grethe Jürgens: Blumenmädchen, 1931, Öl auf Leinwand, 72,5 x 51,8 cm, Sprengel Museum Hannover © Die Reproduktionsrechte des hier abgebildeten Werkes liegen bei den Nachkommen der Künstlerin
Kurt Schwitters: Stork, 1943/44; Holz. Eisen, Gips, bemalt, 38,2 x 15,8 x 32,8 cm, © Sammlung Nord/LB in der Niedersächsischen Sparkassenstiftung
Jean Dubuffet: Paysage saharien, 1952, Öl und Lackfarbe auf Leinwand, 46,5 x 55 cm, Sammlung Sprengel © VG Bild-Kunst Bonn, 2009
Nach diesem Text zeige ich noch ein paar eigene Eindrücke, die ich während der Presse-Vorbesichtigung festgehalten habe.
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