Ort des Treffens - Kunstaktion als soziale Skulptur in Hannover 2009
Wer es noch nicht mitbekommen hat, sollte sich beeilen, denn die besten Aktionen gehen auch einmal zu Ende. Am besten mitmachen, denn so ist es gedacht, eine "soziale Plastik" eben, ein Kunstwerk, an dem die "Betrachter" mitgestalten!
Seit Mai findet in Hannover eine aufregende Sache statt, noch von viel zu wenigen bemerkt: eine soziale Plastik entsprechend den Ideen von Joseph Beuys und anderen; ein "Kunstwerk" das mit und an der Gesellschaft gestaltet, in diesem Fall mit und an den Bürgern Hannovers. Gefördert von der Stadt im Rahmen der "Gartenregion Hannover".
Die ungewöhnliche Kunstaktion heißt "Ort des Treffens" - in der ersten Phase als Ort des Selbsttreffens, in der zweiten (die mit Überschneidung bereits begonnen hat) als Ort des Einandertreffens. Initiiert wurde die Kunstaktion von der Künstlerin Shelley Sacks, die bei Joseph Beuys studiert und viele Jahre mit ihm zusammengearbeitet hatte. Das Projekt erwuchs aus einem intensiven Dialog mit Gabriele Ciecior vom Kulturbüro der Stadt Hannover. Es begeistert mich, dass die Behörde "meiner" Stadt sich darauf eingelassen hat, ohne vermutlich genau zu wissen, was sie erwartet!
Ort des Selbsttreffens: Die jeweilige Teilnehmerin, der Teilnehmer setzt sich zu dem vereinbarten Termin am frei gewählten Ort auf eine gelbe Filz-Kreisfläche mit etwa 1,50 m Durchmesser und reflektiert über zwei Fragen:"Was tue ich auf der Erde?" und "Was bedeutet es für mich, in der Welt zu sein?"
Die Reflektionen werden von einem der Mitglieder des Teams
aufgenommen, das auch einen Termin für den Prozess des
Selbsttreffens vereinbart. Dieser kann überall stattfinden -
zu Hause, im Büro, in einer Bibliothek, auf dem Bürgersteig, im
Park.
Ein Teammitarbeiter begleitet den gesamten Prozess, dessen Länge
durch die Teilnehmerin oder den Teilnehmer selbst bestimmt wird.
Wenn die Teilnehmer zustimmen, werden die Reflektionen aufgenommen
und zu einem Teil des „Sound Fields", wobei die Äußerungen anonym bleiben. Es ist aber kein Interview und kein Gespräch, der Teammitarbeiter begleitet nur und nimmt auf, er beteiligt sich selber in dieser Phase nicht.
"Sound Field": Von einhundert bis zu tausend Tonaufnahmen dieser individuellen Reflexionen werden an so genannten „Hörstationen“ (listening posts), die in der Stadt verteilt sind, zu hören sein. An jeder dieser Stationen wird man andere Stimmen hören. So wird ein vielstimmiges Feld aus Vorstellungen, Glauben und Gedanken akustisch wahrnehmbar und mit ihm die Substanz, das unsichtbare Leben und die im Verborgenen wirkenden Kräfte der Stadt.
Ich selber bin völlig per Zufall auf eine solche Hörstation gestoßen, das war der Ausgangspunkt, mich mit der Aktion zu befassen. Ich ging in der Ricklinger Masch spazieren, lauschte dabei auf Vogelstimmen - und hörte plötzlich eine Menschenstimme!
Ort des Einandertreffens: Im Hodlersaal des Rathauses wird eine größere Filzkreisfläche ausgelegt. Sechs Stühle werden aufgestellt, mit den Vorderbeinen innerhalb des Kreises, die Hinterbeine außerhalb. Sechs Menschen treffen einander und können ins Gespräch kommen - fünf Bürger-innen Hannovers und ein Teammitglied. Die 100 Einander-treffen finden zwischen den regulären Sitzungen im Rathaus statt. In dem Saal, in dem normalerweise debattiert wird und weitreichende Entscheidungen getroffen werden, kommt es nun zu anderen, intimeren Formen des Zuhörens und des Austauschs, des Dialogs über Fragen, die den Menschen im Kern betreffen.
Eine ganze Stadt wird durch die soziale Plastik verändert, sie hat sich bereits verändert - gleich, wie viele Menschen teilnehmen; noch viel mehr wären allerdings wünschenswert. Machen Sie also mit - weitere Informationen: http://www.ortdestreffens.de/
Zu nennen wären noch die Mitglieder des Projektteams: Shelley Sacks (Oxford), Anja Steckling und Nicholas Stronczyck (Hannover), Wolfgang Zumdick (Oxford/Aachen), Alex Arteaga (Berlin) und Lukas Oertel (Bonn). Hinzugekommen sind viele freiwillige Helfer, die hier nicht aufgezählt werden können (einige sind auf der Netzseite genannt).
(C) Text Helge Mücke, Hannover, unter Verwendung einiger Textteile aus der genannten Page, Symbolbild und Bild ebenfalls von dort entnommen.
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