24. Choreographenwettbewerb in Hannover 2010 während der Ostertanztage
Im Rahmen der Ostertanztage gab es auch in diesem Jahr wieder einen Choreographenwettbewerb - zum 24. Mal! Ich habe die 1. und die 2. Vorrunde (Samstag und Ostersonntag) besucht und damit alle Beiträge gesehen, die in die engere Wahl gekommen waren. Rund 180 Choreographen aus den verschiedensten Ländern hatten sich beworben - 16 wurden an den beiden Nachmittagen vorgestellt. Da es um die Qualität der Choreographie (der Idee und des Konzeptes) geht, handeln die Tänzerinnen und Tänzer sozusagen stellvertretend, sie führen ein mögliches Interpretationsbeispiel vor; die Choreographin, der Choreograph darf tanzend dabei sein, nicht aber in einem Solo (s. A), da muss sie oder er sich vertreten lassen. 15 Minuten darf die Vorführung höchstens dauern.
Eine Neuerung in diesem Jahr: Es konnten auch Hiphop-Produktionen eingereicht werden.
Ich zähle hier zunächst alle Teilnehmer auf (mit * sind die beiden Hihop-Produktionen gekennzeichnet) :
A) Sagi Gross, Israel: Meira (She is enlightened)
B) Felix Landerer, Deutschland: Suits
C) George Céspedes, Kuba: La Ecuación (The Equation)
D) Orkan Dann, Deutschland: Lighthouse
E) Tom Rychetsky, Tschechei: Unfinished Piece
F) Choi Sang Yeul, Südkorea: What can I do
G) Yaniv Cohen, Israel: I wish I was Johnny Cash
*H) Zeljko Bozic (KAZINA), Slowenien: Down in the Memory Lane
I) Pedro Dias, Portugal: Betwist
J) Rosana Hribar & Gregor Luštek: Duet 012 (Diversity of Opinions is Magnificent)
K) Van Le Ngoc, Vietnam: Concerto for Five
L) Eldad Ben Sasson, Israel: 4 of a kind
M) Ihsam Rustem, Großbritannien: Twist of Fate
N) Stéphen Delattre, Frankreich: From Bad to Worst
O) Yaron Shamir, Israel: Frozen
*P) Martin Bravo (People Fusion Crew), Spanien: HipHop Pantomime
Es war wieder eine so große Fülle an unterschiedlichen Ansätzen, dass es schwerfällt, sich an einzelne Eindrücke zu erinnern. So sind die folgenden Bemerkungen nur Beispiele, mehr von außen gegriffen, an denen sich die Vielfalt ablesen lässt.
Das Solo von Jin Young Won zur Musik von Händel (Cellosonate) wirkt auf mich nicht nur wie eine Erleuchtung, die Zweifel und Resignationen sind auch erkennbar (Abwehrbewegungen, schützende Hände vor dem Bauch, kurz lässt sie den Kopf hängen), der "Geist der Musik" aber setzt sich durch, die Hände werden zum Himmel gereckt (A). Felix Landerer (B) zeigt eine ganze Geschichte, die Geschichte eines Paares - schon vor dem Einsatz der Musik ringen sie stumm umeinander, zunächst ohne sich zu berühren; oft sind es die kleinen Aggressionen (eine gezielte Geste mit dem Zeigefinger), aber sie, obwohl körperlich unterlegen, obsiegt zeitweise ganz (stellt sich auf seinen Körper). Zwei Schneiderpuppen stehen im Hintergrund; man kann sich von ihnen die Jacken abnehmen - Kleidung verändert - und diese miteinander tauschen, so richtig passen sie aber nicht. Diese Produktion hat zwei der Preise bekommen! (S. unten.) Zu karibischer Musik tanzen vier Kubaner (C) in unterschiedlicher Kombination in einem Würfelgestell. Der Raum begrenzt, lässt sich aber auch verlassen und erweitern, Ausgewogenheit zwischen Innen und Außen muss immer wieder errungen werden. Es ist ein labiles Gleichgewicht, das hier getanzt wird. Gelegentlich gibt es eher konservative Aufführungen oder Elemente. Das muss aus meiner Sicht nicht falsch sein. Die Darstellung von fünf TänzerInnen zu Bachs Konzert a-Moll für 4 Cembali und Streicher (K) war von einem wunderbaren Zauber, die Ästhetik überzeugend (Choreographie der Vietnamese Van Le Ngoc). Oder es wird persifliert - Orkan Dann (D) lässt die Tänzerinnen mit übergroßen, rauchgrauen Tüll-Ballettkleidern auftreten, Bühnennebel steigt auf. Bei Yaniv Cohen in "I wish I was Johnnie Cash" (G) wird falsch gesungen, in Karaoke-Manier. Bei den Slowenen Hribar und Luštek (J) wird der Paarkampf eher spaßig-clownesk inszeniert (manchmal nur in Geräuschen, die eine Kopulation andeuten könnten). Auch der Franzose Stéphen Delattre (N) meint die "Beziehungskiste" nicht nur ernst; der Kontrast zur frömmelnden, überdrehten Singstimme des "Ave Maria" schafft den nötigen Abstand.
Inzwischen sind die Gewinner der Preise bekannt - ich zitiere die Mitteilung der hannoverschen Ballettgesellschaft: "Der Hannoveranner Felix Landerer war der Star des Abends: Für sein Stück "suits" erhielt er von der Jury den ersten Preis sowie den Scapino-Produktionspreis von Ed Wubbe. Der zweite Preis ging an die Slovenen Rosana Hribar und Gregor Luštek für "Duet O12", der dritte Preis an Yaniv Cohen aus Israel für "I wish I was Johnny Cash". Die Kritikerjury vergab ihren Preis an den Franzosen Stéphen Delattre für "From Bad to Worst". Mit dem Publikumspreis wurde der Kubaner George Cépedes für "La Ecuación" ausgezeichnet."
Veranstalter war wie jedes Jahr die Ballettgesellschaft Hannover, auf deren Seite noch mehr Informationen zu finden sind. Der Text hier: (C) Dr. Helge Mücke, Hannover. Das Bild zeigt den Titel des Programmheftes.
Kommentare