Man betritt Räume, wenn man die neue Ausstellung des Kunstvereins besucht, Bildräume in den Ausstellungsräumen - aber Vorsicht, Ihre Raumvorstellung wird ins Wanken geraten, leichte Verwirrung garantiert.
Der 1971 in Bergisch Gladbach geborene David Schnell malt gerne Landschaften, aber nicht in gewohnter Weise: es sind konstruierte Landschaften, unentwirrbare Symbiosen zwischen Natur und Architektur. Der Betrachter wird verstört, und das ist Absicht, so wird er auf Zerstörungen von Landschaft aufmerksam gemacht. "Landschaft als Gesellschaftskritik" (so hieß David Schnells Diplomarbeit).
David Schnell: Gelbe Scheune, 2005, Öl auf Leinwand, 210 x 330 cm, Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin; Foto: Uwe Walter, Berlin
"Gelbe Scheune" ist so ein Beispiel für das Täuschungsmanöver. Wo soll das Auge an diesem Bretterverschlag, durch dessen Zwischenräume die umgebende Landschaft dringt, Halt finden? Wie sich gegen den ungeheuren Sog wehren, den die extreme Perspektive ausübt? Eine Scheune soll das sein? Diese birgt und verwahrt gar nichts.
"Es handelt sich um eine Interpretation, Natur als Landschaft wahrzunehmen", hat Schnell in einem Interview gesagt. "Ich habe eine große Affinität zur Landschaft. Ich halte mich gerne in der Landschaft auf, mache Wanderungen, Radtouren usw. Es gibt Landschaftseindrücke, die mich sehr berühren. Dabei finde ich bemerkenswert, dass die Landschaft vom individuellen Eindruck abhängt."
David Schnell: Depot, 2008, Öl auf Leinwand, Diptychon, 290 x 460 cm, Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin; Foto: Uwe Walter, Berlin
David Schnell lässt sich, wie er es schildert, zwar von einem Landschaftseindruck anregen, stellt aber nur selten direkt das Erlebte dar und beginnt nicht mit einem klaren Konzept. Ausgangspunkt sind vielmehr Farben und Formen, die sich im Prozess entwickeln. "Ich beginne mit einer Farbe oder gesetzten Flecken und entwickle die Gegenständlichkeit aus dem Abstrakten heraus. Allerdings lässt sich das nicht pauschalisieren. Es gibt auch heute noch den Fall, dass ich konkret beginne, sich die Malerei jedoch verselbstständigt und die anfängliche Idee dann mehr und mehr in den Hintergrund tritt."
David Schnell wurde, wie gesagt, 1971 in Bergisch Gladbach geboren und lebt und arbeitet heute in Leipzig. Von 1995 bis 2000 studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig; danach bis 2002 als Meisterschüler von Arno Rink. Seine Werke hängen heute in etlichen öffentlichen Sammlungen - u.a. im Denver Art Museum, im Museum der Bildenden Künste Leipzig, im Museum of Contemporary Art Los Angeles, in der Sammlung Burda, Baden-Baden.
David Schnell lauscht seiner Kunst (oben) oder erklärt sie mit den Händen - rechts auf dem unteren Bild die Kuratorin Ute Stuffer. Eigene Aufnahmen während der Pressekonferenz.
Die gute gestaltete Ausstellung ist für jeden empfehlenswert, der auf neue Blickwinkel der gegenwärtigen Kunst neugierig ist. In Hannover ist die Ausstellung bis zum 30. Mai zu sehen, danach geht sie nach Den Haag und Schaffhausen.
Warum die Ausstellung "Stunde" heißt, konnte ich allerdings nicht enträtseln. Vielleicht ist es eine humorvolle Aufforderung, darüber nachzudenken, wieweit Räume auch immer mit der Zeit zu tun haben.
Dienstags bis samstags 12 bis 19 Uhr, sonntags und feiertags 11 bis 19 Uhr, Eintritt 5 €, ermäßigt 3 €, für Mitglieder frei; Katalog 29,80 €
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