Kvarnström & Co. / Helsinki Dance Company beim 25. Tanztheater International Hannover 2010
Eindringlich begann es, eindringlich endete es - immer zur beatstarken elektronischen Musik* - schwer in Worte zu fassen, die Tänzer angespannt bis zum Äußersten, ständig bewegt, atemlos und gebannt selbst der Zuschauer. Sind die körperlichen Grenzen erreicht, tritt die wahre Persönlichkeit hervor - so die Auffassung des finnischen Choreografen Kenneth Kvarnström. Dabei müssen die Bewegungen nicht unbedingt schnell sein, oft beginnen sie zeitlupenhaft langsam. Aber immer passgenau zur hämmernden Musik, die Übereinstimmung zwischen Bewegung und Musik hier zur höchsten Perfektion getrieben.
Sechs Tänzer, zwei davon Frauen, eine leere Bühne - "mehr nicht". Das ist überhaupt die faszinierende Besonderheit: der Balanceakt zwischen minimalistischem Gestus einerseits, hoher, höchst anstrengender Intensität andererseits, es scheint unmöglich und unglaublich. XPSD - der Titel ist von dem englischen Wort eXPoSeD abgeleitet - exposed and divided, ausgestellt (herausgestellt) und gespalten. Die Aufführung ist in zwei Teile gegliedert, die jeweils mit alten barocken Kostümen beginnen, zur Schau gestellt, das ist aber rasch vorbei - es schlägt rasant um in die moderne Zeit, die wie abgespalten wirkt, es gibt kaum Kontinuum, nur zur Schau gestellt wird auch jetzt, in der knappen, schwarzen, minimalistischen Kleidung sind es eher die Körper selbst, die wirken. Das alles wirkt ausgesprochen "hypnotisch", wie es in einer Besprechung heißt (Anniki Alku in Uutispäivä Demari, 25.3.2010) - das stimmt, aber magische Momente stellen sich nur zweimal ein: am Anfang des zweiten Teils ist nur ein Tänzer im barocken Kostüm auf der Bühne und bringt drei goldene Reifen in Bewegung; zu Beginn gab es auch schon einen goldenen Reifen, der ganz alleine auf der leeren Bühne trudelte.
Auch die harmonischen Gesten waren eher selten; einmal hat sogar die Frau dem Mann die Wange gestreichelt.
XPSD war ein grandioser Auftakt der silbernen Festivalausgabe. Die Verbindung von minimalistischem Gestus und höchster, endloser Bewegungsintensität bis an die Grenze des körperlich Leistbaren - der dadurch erreichte Durchstoß zur Wahrhaftigkeit - haben mich begeistert.
*Die Musik stammt von dem finnischen Rockmusiker Jukka Rintamäki. Kostüme: Erika Turunen. TänzerInnen: Kenneth Bruun Carlson, Sofia Karlsson, Kai Lähdesmäki, Janne Marja-Aho, Valtteri Raekallio, Laura Vesterinen; Choreografie: Kenneth Kvarnström.
(C) Die hier gezeigten Bilder von Stefan Bremer wurden als Pressefotos zur Verfügung gestellt und sind nicht frei verfügbar; Text: Helge Mücke, Hannover.
Weitere Informationen zur Helsinki Dance Company gibt es hier.
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