LiteraTour Nord 2014-2015 in Hannover, Teil 1: Überblick und Nachlese Sabrina Janesch
Längst hat die LiteraTour Nord in Hannover und anderen norddeutschen Städten wieder begonnen - drei Lesungen gab es bereits im alten Jahr 2014: Sabrina Janesch, Lutz Seiler und Peter Rosei. Sechs Autorinnen oder Autoren, von einer Jury ausgewählt, stellen an sechs norddeutschen Orten ihr neuestes Erzählwerk vor - sie beginnen in Oldenburg, gehen dann nach Bremen, Lübeck, Rostock und Lüneburg und schließen dann in Hannover die Lesereise ab. Zugleich ist die LiteraTour Nord ein Wettbewerb, das Verfahren habe ich in diesem Blog mehrfach beschrieben - nach den sechs Lesereisen wählt die Jury eine Autorin, einen Autor aus, die oder der einen Preis bekommt, verbunden mit einem Preisgeld von 15.000 Euro, das von der VGH-Stiftung gestiftet wird.
Für die Leserunde 2014-15 wurden folgende AutorInnen und Titel von der Jury ausgewählt:
Sabrina Janesch: Tango für einen Hund, Lutz Seiler: Kruso, Peter Rosei: Die Globalisten, Robert Seethaler: Ein ganzes Leben, Michael Köhlmeier: Zwei Herren am Strand und Eberhard Rathgeb: Das Paradiesghetto.
Am 23. Oktober 2014 hat (in Hannover) bereits Sabrina Janesch ihren Roman "Tango für einen Hund" vorgestellt. Eine skurrile Geschichte, in einer lockeren Sprache erzählt, die sich an Jugendsprache anlehnt, ohne sie kopieren zu wollen. Der Ich-Erzähler, die Hauptperson Ernesto Schmitt ist "in der Pampa" aufgewachsen, in Semmenbüttel am Rande der Lüneburger Heide - "nichts wie weg von hier", sagt der 17-jährige. Aber ganz so schnell geht das nicht, erst muss er die 200 Sozialstunden ableisten, zu denen er verurteilt wurde, weil er angeblich eine alte Mühle in Brand gesteckt hat. Plötzlich taucht sein Onkel aus Argentinien auf - im Schlepptau einen furchteinflößenden Rassehund namens Astor Garcilaso de la Luz y Parra mit einem Herz aus Karamell. Den will der Onkel zur Rassehundeschau in Bad Diepenhövel bringen, und Ernesto soll ihm dabei helfen. Trotz aller Vorbehalte macht der das mit, und so beginnt eine Reise durch das "wilde Deutschland", die manches Road Movie übertrifft. "Ein 17-jähriger und sein exzentrischer Onkel", so fasst es der Text hinten auf dem Buch zusammen, "sind auf der Flucht durch die Lüneburger Heide - vor der Vergangenheit, vor sich selbst und dem Mann im schwarzen Trenchcoat. Ein rasantes Roadmovie mit Riesenköter." Das ist witzig geschrieben, oft in einer filmischen Sprache, passend zu der Hauptfigur (Ernesto will Regisseur werden), gute Unterhaltung nicht ohne Tiefgang. Sabrina Janesch hat die Ausschnitte aus ihrem Roman hervorragend vorgelesen - dafür hätte sie einen Extrapreis verdient ... Im Gespräch verdeutlich Sabrina Janesch, dass es ihr nicht darum ging, einen Jugendroman zu schreiben ("Tango für einen Hund" wird gerne mit dem Jugendroman "Tschick" von Wolfgang Herrndorf verglichen). Interessant sei für sie vielmehr die Wechselwirkung zwischen dem etwa 70-jährigen exzentrischen Onkel, der sich seine Freiheiten erschaffen hat, und dem 17-jährigen Jugendlichen, der bei aller Schnoddrigkeit noch einen weiten Weg in die persönliche Freiheit vor sich hat. Durch die Perspektive des Onkels bekommt Ernesto eine andere Sicht auf seinen Heimatort; er darf erkennen, dass auch in der "Provinz" ein bereicherndes Leben möglich ist, es ist eine Frage der Einstellung.
Über die zweite Lesung der LiteraTour Nord von Lutz Seiler werde ich in einem weiteren Artikel berichten.
Weitere Informationen auf literatournord.de
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