Wenn das ein Maßstab für gute Literatur im künstlerischen Sinne ist (und ich glaube das), ob es der Autorin, dem Autor gelungen ist, "von innen heraus" zu schreiben - dann ist dies ein sehr gutes Buch. Und tatsächlich hat es ja auch den Preis der LiteraTour Nord (2018-19) bekommen. Warum aber mag ich es trotzdem nicht? Wahrscheinlich, weil ich Sport nie so exzessiv betrieben habe. "Roman einer Obsession" heißt das schmale Werk von rund 150 Seiten im Untertitel - und die Art von Besessenheit, die hier zum Ausdruck kommt, ist mir unangenehm. Alles ganz subjektiv, ich weiß!
Es beginnt mit einer Anzeige: "Rennradtreff. Christi Himmelfahrt. Donnerstags um 20 Uhr. Der Radverein lädt ein. Auch Nichtmitglieder sind willkommen ..." Der Ich-Erzähler Frank Staiger entschließt sich, mitzumachen; seine Freundin Susan, mit der er gerade zusammen nach Freiburg im Breisgau gezogen ist, unterstützt ihn zunächst, geht aber mit seiner zunehmenden Besessenheit auf Abstand. Treffpunkt am Heidegger-Denkmal. "Feld" meint hier die Hauptgruppe der zusammen fahrenden Radfahrer, das "Peloton" - "im Straßenradsport das geschlossene Hauptfeld der Radrennfahrer", so erklärt es Wikipedia, abgeleitet von franz. pelote = Knäuel. Der Erzähler erlebt die Sogwirkung des Pelotons, er erfährt, dass es Hierarchien gibt - und eine Führerfigur: Landauer, der geradezu mythisch überhöht wird. Er erlebt Formen der Anpassung und des Leistungsdrucks, des Duckmäusertums und der Rebellion. Der Führer kann alles, überspielt jeden Fehler, auch Stürze, und unterstützt alle, die er mag, die sich bei ihm einschmeicheln können, schart einen Kern der Günstlinge um sich. Der Roman wird zur Parabel auf "unsere Gesellschaft". Es ist auch ein Roman der Schönfärberei, so habe ich es empfunden - wer so besessen ist, macht sich selber etwas vor, der Realitätsverlust wird immer größer. "Eine Tour braucht keinen Sinn, um gefahren zu werden" erklärt der Erzähler sich selbst. "Das Leben braucht keinen Sinn, um gelebt zu werden. Wer hat das gesagt? Nicht ich habe es gesagt, nicht Landauer hat es gesagt, sondern Camus hat es gesagt. Albert Camus" (S. 106).
Die Sätze sind meistens kurz (Nebensätze eher selten), gesprochen wie wenn jemand keuchend in die Pedalen tritt - Form und Inhalt stimmen überein.
Joachim Zelter: Im Feld Roman einer Obsession. Klöpfer & Meyer: Tübingen 2018. 156 Seiten, 20,- Euro.
Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; Bild: Titelgestaltung des Verlages.
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