Bücherlese: „Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“: Das Buch von Konrad Lorenz mit dem (damals) ungewöhnlich langen Titel ist mir als Verhaltensforscher seit langem vertraut. Der Deutsche Taschenbuchverlag hat es in seiner Reihe dtv bibliothek jetzt neu herausgebracht; die Originalausgabe erschien 1949 - die Neuausgabe ist textgleich mit der Ausgabe von 1964.
Und Konrad Lorenz (1903- 1989) konnte wirklich mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen reden – betont aber auch, dass das keine Sprache ist, wenn er mit den Tieren redet und sie ihm antworten (S. 119). Der Begründer der modernen Verhaltensforschung („Ethologie“) war – das zeigt sich rasch beim Lesen dieser Geschichtensammlung – ein begnadeter Beobachter. Und er hatte Humor, das lassen schon die mehrfachen Vorworte der Originalausgabe erkennen.
Ein (weiteres) Vorwort hat die Neuausgabe auch; es stammt von Patrick Bahners, einem engagierten Kulturjournalisten, der vielfach für die FAZ schrieb. Ein Buch von Konrad Lorenz wieder verlegen, das geht heute nicht mehr ohne kritische Begleitung. Einige Äußerungen in der Nazizeit zur „Rassenpflege“ und zur Ausmerzung der durch Domestikation (Haustierzüchtung) bedingten Störungen lassen sich heute nicht mehr lesen, ohne dass sich die Haare sträuben (s. S. 15) – einer der krassesten Ausdrücke in dem Zusammenhang war der von der „Verhausschweinung des Menschen“.
Dennoch sind die locker geschriebenen Tiergeschichten dieser Sammlung heute noch lesenswert und ein überzeugendes Beispiel für „populäre Wissenschaft“. Der Titel bezieht sich nicht, wie ich, ehrlich gesagt, glaubte, auf Fähigkeiten des Franz von Assisi, sondern auf Salomos Wirkmächtigkeit, wenn er einen Ring benutzte. Lorenz am Anfang des Kapitels „Salomos Ring“ (S. 117): „Der König Salomo, so steht geschrieben, redete mit dem Vieh, den Vögeln, den Fischen und dem Gewürm. Das kann ich auch. Zwar nicht mit allem Getier, wie der alte König es gekonnt haben soll, zugegeben, dass ich ihm darin unterlegen bin. Aber ich rede mit einigen Arten, die ich gut kenne; ich brauche dazu jedoch keinen Zauberring. In dieser Hinsicht bin ich wiederum dem alten König überlegen ...“
Die Sammlung enthält auch die berühmte, geradezu weltweit berühmte Tiergeschichte, die auch in Lesebücher Eingang fand: die vom Gänsekind Martina. Wer einmal das fragende „wiwiwiwiwi“ gelesen oder gehört hat, dem wird sich das lebenslang einprägen. Gänsekinder pflegen dasjenige Lebewesen, das sie beim Schlupf als erstes wahrnehmen, als „Mutter“ anzunehmen – im Falle von Martina war das Konrad Lorenz. Bei allem, was er seither tat, versuchte das Gänseküken ihm zu folgen. Das begründete seinen Ruf als „Gänsevater“. Es gibt ein Foto, auf dem zu sehen ist, wie er in einem Teich schwimmt und auf ihn geprägte Gänse ihm folgen. (Bilder enthält diese Ausgabe mit einer Ausnahme allerdings nicht.)
Beispiele für die weiteren Geschichten: Ein ganzes Kapitel, "Die zeitlosen Gesellen", ist den Dohlen gewidmet: "Wenige Vögel, ja überhaupt wenige höhere Tiere ... haben ein so hoch entwickeltes Familien- und Gesellschaftsleben wie die Dohlen" (S.72). Weiterhin: "Fischblut", "Mitleid mit Tieren", "Moral und Waffen".
Ich empfehle die Lektüre und wünsche viel Vergnügen damit.
Konrad Lorenz: Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen. Neuausgabe. dtv bibliothek. dtv: München 2018. 240 Seiten, Eur 18,--.
Letzte Kommentare